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Medizinprodukte: Sind Gratiszugaben verboten?

Bezahle 10, erhalte 12. Ist dies mit den neuen Bestimmungen des HMG noch zu vereinbaren? Die am 1. Januar 2020 in Kraft getretenen Bestimmungen des HMG und der VITH verbieten Naturalrabatte im Zusammenhang mit dem «Heilmitteleinkauf». Betrifft dieses Verbot von Gratiszugaben auch Medizinprodukte? Mit diesem PharmaCircular informieren wir über das Verbot von Naturalrabatten und deren Auswirkungen auf den Verkauf von Medizin­produkten.

17.02.2020 Matthias Stauffacher  •   Dr. Christoph Willi, LL.M.

Die am 1. Januar 2020 in Kraft getretenen Integritätspflichten verbieten nicht gebührende Vorteile. Vom Verbot der ungebührenden Vorteile ausgenommen sind Preisrabatte, sofern sie keinen Einfluss auf die Wahl der Behandlung haben. Das HMG erwähnt aber nur Preisrabatte. Naturalrabatte werden nicht erwähnt. Aus dem Schweigen des Gesetzes leitet der Bundesrat ab, dass Naturalrabatte verboten sind. Anders als Preisrabatte beziehen sich Naturalrabatte nicht auf den Preis, sondern auf die gelieferte Ware. Die VITH bestätigt die Unzulässigkeit von Naturalrabatten:

« Die Lieferung einer grösseren Menge, als bestellt und in Rechnung gestellt wird, ist unzulässig. »

Nach dem Gesetzeswortlaut soll die Regelung von Preis- und Natural­rabatten für den Einkauf von Heilmitteln gelten. Die VITH enthält keine Beschränkung auf verschreibungspflich­tige Arz­nei­­­­­mittel. Dies hätte zur Folge, dass Natu­ral­­­rabatte für alle Arten von Heilmitteln verboten sind, einschliesslich Medizinpro­dukten. Eine Ausnahme für freiverkäufliche Arzneimittel oder Medizinprodukte der niedrigsten Risikoklasse ist nicht vorgesehen. Dies obwohl derartige Produkte auch durch Gross­verteiler verkauft werden. Das Verbot hätte also weitreichende praktische Auswirkungen. Ist das die Meinung des Gesetzgebers?

Was meint «Heilmitteleinkauf»?

Der Gesetzeswortlaut steht im Widerspruch zum Geltungsbereich der Integritätspflichten: Das heilmittelrechtliche Verbot der nicht gebührenden Vorteile ist auf verschreibungspflichtige Arzneimittel beschränkt. Es hat keine Geltung für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel (OTC) oder Medizinprodukte.

Ursache für diesen Widerspruch ist eine in letzter Minute erfolgte Änderung des HMG. Bis zu Letzt war in den parlamentarischen Beratungen umstritten, ob die Integritätspflichten auf verschreibungs­pflichtige Arzneimittel zu beschränken seien (so der Vorschlag des Bundesrates, ihm folgend der Ständerat) oder auch OTC umfassen soll (so der Nationalrat, entsprechend dem bisherigen HMG). In der Einigungskonferenz einigten sich die Räte darauf, das Verbot der nicht gebührenden Vorteile auf verschreibungspflichtige Arznei­mittel zu beschränken. Im Gegenzug änderte das Parlament aber den Wortlaut der Bestimmung über den Umgang mit Preisrabatten. Nach dem Vorschlag des Bundesrates und ihm folgend der Ständerat sollte diese auf den «Arzneimitteleinkauf» beschränkt sein. Der Nationalrat wollte diese Bestimmung aber auf den «Heilmitteleinkauf» ausweiten, um diese an den Geltungsbereich der Transparenzpflichten anzupassen. – Der Nationalrat setzte sich durch. Deshalb bezieht sich die heute in Kraft stehende Bestimmung auf den «Heilmitteleinkauf».

Indem das Parlament den «Arzneimitteleinkauf» durch «Heilmitteleinkauf» ersetzte, hat es den Geltungsbereich des Verbotes von Naturalrabatten geändert. Diese Änderung war nicht bedacht. In den parlamentarischen Beratungen gibt es keine Wortmeldungen, die sich mit dem Verbot von Naturalrabatten befasst oder deren Ausweitung auf Heilmittel gefordert hätten. Entsprechend gibt es keinen gesetzgeberischen Willen, wonach das Verbot von Naturalrabatten über den ursprünglichen Vorschlag des Bundesrates hinaus ganz allgemein für Heilmittel gelten soll.

Dass der Gesetzeswortlaut nicht massgebend sein kann, wird durch folgende Überlegungen bestätigt: Das Verbot der nicht gebührenden Vorteile ist auf verschreibungspflichtige Arzneimittel beschränkt. Naturalrabatte sind nicht gebührende Vorteile und deshalb verboten. Ist das Verbot der nicht gebührenden Vorteile auf verschreibungspflichtige Arzneimittel beschränkt, so kann für Naturalrabatte nichts Anderes gelten: Naturalrabatte sind nur für verschreibungspflichtige Arzneimittel verboten. Nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel und Medizinprodukte können davon nicht betroffen sein.

Absehbare Änderungen in naher Zukunft

So die Rechtslage am 1. Januar 2020. Das Parlament hat aber bereits beschlossen, die Geltung der heilmittelrechtlichen Integritätspflichten auf Medizinprodukte auszuweiten. Gemäss der neuen Medizinprodukte Regulierung vom 22. März 2019 soll das Verbot der nicht gebührenden Vorteile gleichermassen für Medizinprodukte und verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten. Das Parlament hat den Bundesrat aber ermächtigt, bestimmte Kategorien von Medizinprodukten von den Integritätspflichten auszunehmen. Das BAG plant von dieser Ermächtigung Gebrauch zu machen und das Vorteilsverbot auf Medizin-produkte mit erhöhtem Risiko zu beschränken. Gemäss Angaben des BAG sollen die Änderungen nicht vor 2022 in Kraft treten. Dies lässt Hersteller und Lieferanten ausreichend Zeit, die Marktteilnehmer auf die Auswirkungen vorzubereiten, die sich aus dem dann auch für Medizinprodukte geltenden Verbot von Naturalrabatten ergeben.

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