Spitex Organisation Voraussetzungen

Pharmaceuticals and healthcare

Was braucht es, um eine Spitex-Organisation in mehreren Kantonen aufzubauen?

Wer in der Schweiz pflegerische Leistungen im spitalexternen, ambulanten Bereich erbringen möchte, benötigt eine Bewilligung der kantonalen Gesundheitsbehörden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Pflegekosten von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übernommen werden oder nicht.

16.10.2020 Matthias Stauffacher  •   Dr. Christoph Willi, LL.M.

Von der Bewilligungspflicht ausgenommen sind nur Pflegeleistungen, die nicht erwerbsmässig erbracht werden wie beispielsweise die Pflege durch Angehörige. Ebenfalls nicht bewilligungspflichtig sind Hilfe und Unterstützung im Haushalt (hauswirtschaftliche Leistungen) oder Unterstützung bei der Erledigung von Alltagsaufgaben (Einkaufen, Post erledigen etc.). Die dabei zu beachtenden Bestimmungen des Arbeitsrechts sowie gegebenenfalls des Arbeitsvermittlungsgesetzes sind nicht Thema dieses Beitrages.

Im Rahmen der spitalexternen Krankenpflege können pflegerische Leistungen von freiberuflichen Pflegefachpersonen oder Organisationen angeboten werden, welche Pflegefachpersonen beschäftigen. Für die Ausübung des Pflegeberufes in eigener fachlicher Verantwortung benötigen freiberufliche Pflegefachpersonen eine Bewilligung des Kantons, auf dessen Gebiet sie ihren Beruf ausüben. Auch Spitex-Organisationen benötigen eine Bewilligung der Kantone, in denen sie tätig sind. Erst diese Bewilligung erlaubt eine pflegerische Tätigkeit und die Abrechnung der Leistungen zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Die kantonalen Voraussetzungen für die Erteilung einer Spitexbewilligung sind zwar weitgehend identisch, werden von den Kantonen aber völlig unterschiedlich angewendet.

Voraussetzungen einer Spitexbewilligung

So verlangt beispielsweise das Gesundheitsgesetz des Kantons Zürich, dass die Spitex-Organisation:

  1. den angebotenen Leistungen entsprechend eingerichtet ist,
  2. über das für eine fachgerechte Versorgung der Patientinnen und Patienten notwendige Personal verfügt,
  3. eine gesamtverantwortliche Leitung bezeichnet hat,
  4. sowie ein Mitglied als gesamtverantwortliche Leitung bezeichnet, das über eine Berufsausübungsbewilligung als Pflegefachperson verfügt.

Auch andere Kantone stellen ähnliche Anforderungen an den Betrieb einer Spitex-Organisation. In Verordnungen und Merkblättern werden interpretationsbedürftige gesetzliche Begriffe wie «entsprechend eingerichtet» oder mit «notwendigem Personal» weiter ausgeführt und erklärt.

Sind Räumlichkeiten notwendig?

Wie die Kantone Genf, St. Gallen oder Schwyz verlangt auch der Kanton Zürich einen Nachweis, dass die zur Tätigkeit einer Spitex-Organisation notwendigen Räumlichkeiten und Einrichtungen vorhanden sind. Wie bereits der Name Spitex besagt, erbringt eine Spitex-Organisation den Hauptteil ihrer Leistungen «spitalextern» bzw. bei den Patientinnen und Patienten zu Hause und damit ambulant. Deshalb ist nicht ersichtlich, wieso für die Qualität der Leistungen erheblich sein soll, ob die Organisation über eigene Räume verfügt. Unklar sind auch die Anforderungen an die dafür verlangte «Einrichtung». Reicht ein Einzelbüro oder ein abschliessbarer Schrank für die Patientenunterlagen? Können die Räume in einer Arztpraxis gemietet werden? Was ist, wenn keine «Räumlichkeiten und Einrichtungen» vorhanden sind? Ist es wirklich die Meinung, dass eine Spitex-Organisation in Baden keine Patienten in Zürich oder St. Gallen betreuen darf, wenn sie in jenen Kantonen über keine eigenen Räumlichkeiten und Einrichtungen verfügt?

Mit dem Erfordernis der Räumlichkeiten im Tätigkeitskanton wird der Zugang für ausserkantonale Spitex-Organisationen erschwert oder gar verunmöglicht. Denn wenn eine Spitex-Organisation mit Sitz im Baden auch in Zürich tätig sein will, muss sie für das Bewilligungsgesuch Räumlichkeiten in Zürich vorweisen können. Damit wird die Erbringung von Spitexleistungen für eine ausserkantonale Organisation im Kanton Zürich von unsachlichen Kriterien abhängig gemacht.

Die Wettbewerbskommission schaltet sich ein

Die unterschiedliche Bewilligungspraxis und die kantonalen Eigenheiten bei der Auslegung der Bewilligungskriterien haben auch die Wettbewerbskommission (WEKO) auf den Plan gerufen. Die WEKO ist zuständig für die Überwachung des Binnenmarktgesetzes, welches die Schaffung eines einheitlichen Schweizer Wirtschaftsraums bezweckt. Zur Erreichung dieses Zwecks verleiht das Binnenmarktgesetz jeder Person, deren Erwerbstätigkeit am Ort ihres Wohnsitzes zugelassen wurde, das Recht, die betreffende Erwerbstätigkeit auf dem gesamten Gebiet der Schweiz auszuüben. Dabei haben die Bestimmungen des Binnenmarktgesetzes Vorrang gegenüber dem kantonalen Recht.

So verhält es sich auch bei den Spitexleistungen: Das Binnenmarktgesetz gewährt jeder Person das Recht, ihre Erwerbstätigkeit auf dem gesamten Gebiet der Schweiz auszuüben. Voraussetzung ist, dass die Person am Ort ihrer Niederlassung oder ihres Sitzes über eine Spitexbewilligung verfügt. Dies hat zur Folge, dass andere Kantone kein neues Zulassungsverfahren durchführen dürfen, wenn die Person bereits in einem anderen Kanton zugelassen worden ist: Wer über eine Spitexbewilligung in einem Kanton verfügt, ist berechtigt, die damit verbundenen Tätigkeiten in jedem anderen Kanton in der Schweiz auszuüben.

Dasselbe gilt auch für Pflegefachpersonen, die bereits über eine kantonale Bewilligung verfügen. Gemäss den Vorgaben der WEKO muss auch das kürzlich in Kraft getretenen Bundesgesetz über die Gesundheitsberufe (GesBG) im Sinne des Binnenmarktgesetzes ausgelegt werden. Das bedeutet, dass die Gesundheitsbehörden keine weiteren Unterlagen verlangen dürfen, wenn schon eine Bewilligung aus einem Kanton vorliegt. Das GesBG regelt zusätzlich kurzfristige Einsätze von ausserkantonalen Pflegefachpersonen ausdrücklich im Gesetz: Inhaber einer Berufsausübungsbewilligung dürfen ihren Beruf während längstens 90 Tagen pro Kalenderjahr in einem anderen Kanton ausüben, ohne eine Bewilligung dieses Kantons einholen zu müssen.

Bewilligungsverfahren nach WEKO

Die Vorgaben des Binnenmarktgesetzes sind eindeutig. Einem Schreiben der WEKO ist folgendes zu entnehmen:

«Aufgrund der im Binnenmarktgesetz enthaltenen Marktzugangsrechte hat die Zulassung einer ausserkantonalen Spitex-Organisation regelmässig allein gestützt auf die Bewilligung des Herkunftskantons zu erfolgen. Dies bedeutet, dass die zuständige Behörde des Kantons lediglich überprüfen darf, ob die betreffende Spitex-Organisation über eine Bewilligung in einem anderen Kanton verfügt. Ist dies der Fall, ist die Bewilligung des Kantons grundsätzlich ohne weitere Prüfungen zu erteilen. Insbesondere dürfen keine zusätzlichen Unterlagen wie Unbedenklichkeitserklärungen oder Strafregisterauszüge verlangt werden.»

Nach Auffassung der WEKO darf von diesem Grundsatz nur in Ausnahmefällen abgewichen werden. Der Kanton, welcher von dieser Grundregel abweichen will, muss dies begründen. Wenn ein Kanton nachweisen kann, dass das durch seine Gesetze angestrebte Schutzniveau erheblich höher ist als dasjenige, welches im Herkunftskanton angestrebt wird, kann er weitere Bewilligungsvoraussetzungen verlangen. Konkret bedeutet dies, dass eine Zürcher Spitex-Organisation nicht in Bern tätig sein darf, wenn die Gesundheitsgesetze im Kanton Bern erheblich strenger sind als im Kanton Zürich. Eine nur gering unterschiedliche Regulierung in einem Kanton reicht jedoch nicht, um eine solche Abweichung zu begründen. Beispielswiese ist es nach Ansicht der WEKO zulässig, dass bei Gesuchen in der Westschweiz oder im Tessin auf der Basis einer Erstbewilligung aus einem deutschsprachigen Kanton, die Sprachkenntnisse der Pflegefachpersonen nachgewiesen werden müssen.

Wie ist vorzugehen?

Für den Aufbau einer gesamtschweizerischen oder interkantonal tätigen Spitex-Organisation können Gesuche in anderen Kantonen direkt gestützt auf die Erstbewilligung im Herkunftskanton gestellt werden. Gemäss der WEKO dürfen die Kantone nur das Vorliegen einer Erstbewilligung prüfen, nicht aber weitere Unterlagen einverlangen.

Den Kantonen obliegt die Aufsicht über die im Kanton tätigen Spitex-Organisationen. Das heisst, der Kanton kann im Rahmen der laufenden Aufsicht überprüfen, ob die Voraussetzungen der Bewilligung und die Berufspflichten durch eine Spitex-Organisation eingehalten werden. Gemäss WEKO hat diese Überprüfung stichprobenartig zu erfolgen. Ausserkantonale Spitex-Organisationen, die um eine Bewilligung ersuchen, dürfen also nicht gesondert geprüft werden.

Es ist deshalb nicht zulässig, dass Behörden in ihrer Tätigkeit über eine stichprobenartige Aufsicht hinausgehen. Mit einer solchen Aufsicht nicht zu vereinbaren ist beispielsweise, für die Erteilung einer Folgebewilligung einen Bauplan der Räumlichkeiten zu verlangen, woraus handschriftlich die Möblierung und Einrichtung ersichtlich ist. Ebenso wenig darf von einer Pflegefachfrau mit Berufsausübungsbewilligung verlangt werden, dass sie einen Strafregisterauszug im Original, eine aktuelle Unbedenklichkeitserklärung, ein aktuelles Zwischenzeugnis oder eine Anstellungsbestätigung einreiche.

Es gibt Kantone, welche die Vorgaben des Binnenmarktgesetzes bereits umgesetzt haben und die Gesuche alleine gestützt auf die Erstbewilligung prüfen. Das Verfahren dauert aber auch in diesen Fällen noch mehrere Wochen bis Monate, was wohl kaum einem «raschen» Verfahren entspricht, wie dies das Binnenmarktgesetz vorschreibt.

Bewilligungen einholen, aber richtig: 5 Tipps für ein effizientes und zeitsparendes Vorgehen

Wie ist für den Aufbau einer Spitex-Organisation vorzugehen, damit die erforderlichen Bewilligungen rechtzeitig eingeholt werden können?

  1. Frühzeitig mit der Vorbereitung beginnen. Die Aufbereitung der Bewilligungsunterlagen ist aufwendig.
  2. Genügend Zeit für das Verfahren einrechnen, so dass die Bewilligung bei geplanter Betriebsaufnahme vorliegt. Mit Verzögerungen muss gerechnet werden. Für die Erstbewilligung ist erfahrungsgemäss mit mindestens 6 Monaten, für Folgegesuche mit 3 bis 4 Monaten zu rechnen.
  3. Frühzeitig professionelle Unterstützung einholen, um unnötige und zeitaufwändige Leerläufe zu vermeiden.
  4. Evaluation eines geeigneten Standortes für die Erstbewilligung, vorzugsweise in einem Kanton mit einem einfachen und raschen Verfahren.
  5. Bei Folgegesuchen darauf hinweisen, dass eine Erstbewilligung bereits vorhanden ist und diese dem Gesuch beilegen.

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